Da haben Talent und Leidenschaft lange geschlummert, sind wie so häufig durch ein anderes, wenn auch nah verwandtes Berufsleben domestiziert worden. Wenn man die Fülle und den inständigen Impetus zum Massstab nimmt, mit welchem Werner Bommer seinem heimlichen Tun gefrönt hat, ist leichter zu ermessen, dass Beruf und Berufung halt zwei verschiedene Dinge sind. Wie sagte es der amerikanische Einsiedler und Philosoph Henry David Thoreau, dessen Kultbuch 'Walden. Leben in den Wäldern' nach zweihundert Jahren in unsern bewegten, zukunftsfrohen Siebzigern Auferstehung feierte, so lapidar: 'Wer einen Beruf ergreift, ist verloren".
Verloren für die Freiheit, die Kreativität, die Kunst. Für die ureigenen Neigungen, die Wünsche, die Verwirklichung des Selbst. Betrachtet man das beträchtliche Werk, das Werner Bommer für sich - und bald etwas auch für uns - geschaffen hat, ist vorerst eine unbändige Lust am Malen spürbar. Was hat er wohl nicht alles gedacht und sehen müssen, dem so viele Bilder anderer durch die Hände gegangen, vor seinen Augen Halt gemacht und dann vorüber gezogen sind, die er ausgestellt, abgelehnt oder verkauft hat? Hat er die Künstler beneidet, wenn er zurück ins Büro musste zu den Preislisten, Katalogen, zum Telefon und zum Geschäfts-AIItag?Er hat diese Fragen wohl mit seinen Bildern beantwortet, mit der 'gestohlenen' Zeit, die er mit ihnen verbracht hat. Es wohnt ihnen allen etwas ausgesprochen Intimes inne, auch wenn sie bis 2 x 2 Meter messen. Sie sind zuallererst einmal für sich selbst gemalt. So trumpfen sie denn auch nicht auf: weit entfernt von expressiven Verzweiflungsgesten, von der Isolation einer 'Art brut'. Weit entfernt aber auch von jedwelcher 'Sonntags-Malerei'. Was sofort auffällt, ist hohe Malkultur. Hier setzt einer eigene Ansprüche und löst sie spielend ein. Vielleicht ist ihm der Beruf doch noch zuhiife gekommen, das prüfende Auge, das viel gesehen, abgewogen, eingeordnet hat. Das hat ihm zweifellos geholfen, das Eigene zu klären.
Was ist das: Stillleben. Auch wenn die Techniken ändern, die Materialien und die Bildträger wechsein, auch wenn sich die malerische Handschrift über dreissig Jahre hinweg naturgemäss entwickelt, das Thema bleibt. Es ist ja jenes, in dem die Malerei ihre allergrösste Selbstreferenz auszuspielen vermag. Wo der Gegenstand, das Objekt zurücktritt, nimmt die reine Malerei überhand. Noch sind immer sogenannte Realitäten partiell sichtbar, Blätter und Aeste, Vasen oder Stühle, auch ganze Architektur-Ensembles, aber sie verströmen eine wohltuende Anonymität.Man darf gratulieren. Zu einem Werk, das sich trotz seiner fundamentalen Eigenständigkeit in heiterer Gelassenheit selber prasentiert, als wäre der Maler abwesend. Als hätte es ein Galerist ausgestellt. Sein eigener.
Der Autor ist freier Ausstellungskurator und Publizist
Bis 2001 Vizedirektor am Kunsthaus Zürich
2001-2009 Direktor des Museum Tinguely in Basel
Lebt in Zürich und im Tessin